Im Gegensatz zur Mehrsprachigkeit (multilingualism), deren Stellenwert allseits stets betont werde, spiele die Einsprachigkeit (monolingualism) in der Sprachforschung bisher – zu Unrecht – eine sehr untergeordnete Rolle. Diesen Ansatz verfolgen neben David Gramling auch Brigitte Jostes, Mary Louise Pratt, Yasemin Yildiz oder Elizabeth Ellis, auf deren Forschung Gramling aufbaut. Gramling stellt sich diesem Desiderat und will auch der negativen Wahrnehmung von Einsprachigkeit etwas entgegensetzen: „But rather than hunting down monolingualism like a white-collar crook on the run, this book seeks to venerate it, however briefly, as a scientific-aesthetic invention that, in its time, first made the Mercatorian notion of countable global cultures and languages at least provisionally thinkable” (2).
Brigitte Jostes wirft in einem Beitrag zum Thema „Einsprachigkeit. Skizze eines unpopulären Forschungsprogramms“ (In Markus Messling und Ute Tintemann, Hrsg.:„Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache“. Zur Sprachlichkeit des Menschen, Paderborn: Fink, 2009, 183–202) die Frage auf, ob Einsprachigkeit auch gleichzeitig mehr Sprachlichkeit bedeutet. In diesem Sinne zeigt Gramling im ersten Kapitel („Monolongualism: A User’s Guide“) zunächst auf, wie wenig wir über Einsprachigkeit wissen, und versucht sich an einer Begriffsdefinition. Dabei stellt er fest, dass sowohl die Einsprachigkeit (monolingualism) als auch die Mehrsprachigkeit (multilingualism) auf dem Grundsatz eines Lingualismus (lingualism) aufbauen, also der Vorstellung, dass Sprachen zählbare Einheiten darstellen, die unser Denken und unsere Weltsicht ausmachen. Gramling zufolge ist die Einsprachigkeit in unserer modernen, globalen Welt keineswegs vom Aussterben bedroht. Vielmehr ermögliche sie erst den hohen Stellenwert von Globalisierung, Internationalisierung, Lokalisierung und Translation – in der Übersetzungsforschung auch als GILT-Branche bekannt. Einsprachigkeit könne auch als strukturelles Privileg verstanden werden und wesentlich bedeutender als die Frage, ob Einsprachigkeit tatsächlich existiere, sei vielmehr, unter welchen Bedingungen sie effektiv sein könne (Kapitel 1). Franz Kafka, der neben Tschechisch noch weitere Sprachen fließend beherrschte, wurde als monolingualer Autor weltbekannt und verfasste all seine literarischen Werke ausschließlich in deutscher Sprache. Die Einsprachigkeit bei Kafka beziehe sich also einzig auf sein literarisches Wirken – und dies ganz bewusst. Kafka wähle nicht Deutsch, sondern die Einsprachigkeit als sein künstlerisch-schriftstellerisches Mittel, so Gramling. Diese Einsprachigkeit führe oftmals zu Konflikten, wie in Kafkas Amerika-Roman Der Verschollene (The Missing Person, 1911–1914). Hier gestalte sich sowohl die Zweisprachigkeit des Protagonisten Karl Roßmann als auch der unzulänglich the-matisierte Erwerb der englischen Sprache im Kontext eines monolingual deutschen Romans problematisch (Kapitel 2: „Kafka’s Well-Tempered Piano“). Im dritten Kapitel mit dem Titel „The Passing of World Literaricity“ dann widmet sich Gramling jenen Autoren, die im Gegensatz zu Kafka in einer „postmehrsprachigen“(postmultilingual) literarischen Welt agieren. Moderne Autoren schreiben ihre Werke bereits mit Blick auf eine spätere Übersetzung im Sinne einer übersetzerischen Einsprachigkeit (translational monolingualism), die nun den Literaturmarkt beherrsche und ihn auch befördere. So spiele die Übersetzbarkeit und internationale Vermarktung auf dem Buchmarkt eine tragende Rolle. Dabei sei auch die besondere Funktion von Literaturübersetzern hervorzuheben. Gramling analysiert hierbei Literatur von Autoren wie Orhan Pamuk, Terézia Mora, Peter Waterhouse oder James Kelman. Das Recht auf Sprache (ius linguarum) ist Thema des vierten Kapitels („A Right of Languages“), in dem auch der Begriff Einsprachigkeit entmythologisiert wird. So sei Einsprachigkeit nicht verbunden mit dem Gedanken, eine Sprache sei einer anderen vorzuziehen, sondern mit dem, alles könne unter den richtigen Umständen in einer jeden bestimmten Sprache ausgedrückt werden: „Monolingualism is not the idea that one language is preferable to another; it is too busy being monolingual to bother with ideological domination or rancor of that sort. Rather it is the idea that anything, absolutely anything, can be reasonably done, said, or meant in any one particular language, given the proper circumstances“ (195). Gramling geht am Ende seines Buches auch auf den Sprachwandel ein, der im Kontext der Einsprachigkeit nicht außer Acht gelassen werden dürfe: „In the linguacene, languages themselves are being asked to change, to lay themselves bare to translation and systematic translatability“ (220).
Gramlings The Invention of Monolingualism darf als neues Standardwerk zum Thema Einsprachigkeitsforschung gelten. Als solches ist das Buch für Sprach-, Kultur-und Übersetzungswissenschaftler gleichermaßen interessant. Gramling beleuchtet die Thematik in bisher nicht dagewesener Weise. Insbesondere seine Erkenntnisse zur Einsprachigkeit in den Romanen von Franz Kafka (Kapitel 2) und die Frage, was deutsche Sprachkenntnisse, die beispielsweise im Einbürgerungstest geprüft werden, mit einer Identifikation mit Deutschland zu tun haben (Kapitel 4), sind für Germanisten von Bedeutung und bergen Diskussionspotential. Übersetzungstheorien wie die Verfremdung (foreignization) und die Einbürgerung (domestication) nach Friedrich Schleiermacher oder die Skopostheorie (Hans Vermeer und Katharina Reiß), die Gramling fälschlicherweise allein Christiane Nord zuschreibt, werden jedoch sehr vereinfacht dargestellt und nur am Rande skizziert. Zu den Schwächen des Buches gehört auch, dass so Manches – wie das persönliche Gespräch des Autors mit einem Berliner Kebabverkäufer – eher anekdotisch anmutet als empirisch belegt. Gramling bleibt dem Leser statistische Erhebungen oder detaillierte Studien schuldig, die seine Thesen zum (Mono-)Lingualismus stützen